Am Hafen von Desenzano
Unser erster Abend am Gardasee. Die erste Pizza. Deutsche Sprachfetzen von links, italienische von rechts. Desenzano ist unspektakulär nett, nicht zu touristisch. Ein Ort, den wir in den nächsten Tagen mehr und mehr schätzen lernen. Allerdings werden wir viel unterwegs sein. Mit dem E-Bike, im Schnitt 60 Kilometer am Tag. Trient, Verona, Mantua, Solferino und Brescia heißen die Ziele. Mal fahren wir mit der Bahn hin und dem Rad zurück, mal umgekehrt. Eine Rad-Sternfahrt, bei der wir nicht jeden Tag das Hotel wechseln müssen. Für die nächsten sechs Nächte unser Domizil: das Vier-Sterne-Hotel Lido International direkt am Gardasee. Die Lage könnte kaum besser sein.Unser erster Abend am Gardasee. Die erste Pizza. Deutsche Sprachfetzen von links, italienische von rechts. Desenzano ist unspektakulär nett, nicht zu touristisch. Ein Ort, den wir in den nächsten Tagen mehr und mehr schätzen lernen. Allerdings werden wir viel unterwegs sein. Mit dem E-Bike, im Schnitt 60 Kilometer am Tag. Trient, Verona, Mantua, Solferino und Brescia heißen die Ziele. Mal fahren wir mit der Bahn hin und dem Rad zurück, mal umgekehrt. Eine Rad-Sternfahrt, bei der wir nicht jeden Tag das Hotel wechseln müssen. Für die nächsten sechs Nächte unser Domizil: das Vier-Sterne-Hotel Lido International direkt am Gardasee. Die Lage könnte kaum besser sein.
Trient und der Spurt von Riva
Am nächsten Morgen: Alessandro de Angelis, unser Ansprechpartner vor Ort, wuppt unsere E-Bikes in den Transporter mit OL-Kennzeichen. Der 41-Jährige, ein echter Lokalpatriot („I love the region“), bringt uns nach Trient. Unterwegs versorgt er uns mit Tipps. „Genießt euer Eis, aber nicht zu lange. Und seid spätestens um 14:50 Uhr in Riva del Garda.“ Denn dann legt das Schiff ab, das uns und unsere Räder zurück nach Desenzano bringt. Und das dürfen wir auf keinen Fall verpassen.
Aber ein bisschen was von Trient wollen wir schon sehen. Also rein in den Dom. Ein Mann fegt den Marmorboden, eine Frau glättet das Altartuch und stellt frische Blumen auf. Immer wieder klingelt eine „freiwillige Spende“ in Kasten. Ein geschichtsträchtiger Ort: Im 16. Jahrhundert tagte hier ein Konzil, das die Gegenreformation auslöste. Schnell noch ein Blick auf die Adelspaläste mit ihren Fresken, in denen die Päpste, Kardinäle und Bischöfe hausten, und los geht die wilde Fahrt Richtung Süden. Der Weg durch das Tal der Etsch ist alternativlos, mal rauscht neben uns der Fluss, mal der Verkehr der nahen Autobahn. Eine Strecke, die sich italienische Rennsportler und deutsche E-Biker friedlich teilen.
In Mori bei Rovereto lösen wir einen Eis-Voucher ein und denken an die Worte von Alessandro. Das Eis ist ruckzuck weg, es würde ohnehin sofort in der Sonne schmelzen. Weiter geht’s, der erste Anstieg. Tolle Sache, so ein Turbo-Knopf, die Entscheidung für ein E-Bike, sie war richtig. Dann, hinter einer Kurve, liegt er plötzlich vor uns: der Gardasee. Ein Hammerblick. Jetzt nur nicht trödeln, es ist 14 Uhr durch, der Dampfer wartet nicht. Auf der Promenade von Riva umkurven wir die Badegäste, nicht jeder guckt freundlich. Und was macht der Mann aus dem Kassenhäuschen am Hafen? Pause. Dolce Vita. Egal. Wir haben es geschafft.
Die mehrstündige Fahrt mit dem Schiff ist die reinste Erholung, es geht kreuz und quer über den Gardasee, der Richtung Süden immer breiter wird. Wir legen an in Limone, Malcesine, Salò, Sirmione – lauter wohlklingende Namen in den Ohren deutscher Urlauber.

Verona und die grünen Oasen abseits von Arena und Balkon
Verona. Die Arena, klar. Und der Balkon, Romeo und Julia, Sie wissen schon. Das eine wie das andere ist Pflicht. Aber wir sind nicht alleine da, mal drängeln sich Schulklassen, mal Touristen. Argwöhnisch behalten wir unsere Räder im Auge, so wie Alessandro es uns empfohlen hatte. Und steuern dann, einem Tipp im „lonely planet“-Reiseführer folgend, die „Paticceria Flego“ an, „Veronas Nonplusultra in Sachen Gebäck“. Mit einem ganzen Karton, die reine Sünde, ziehen wir uns zurück in den Schatten einer riesigen Platane in einem kleinen Park nahe der Piazza delle Erbe, ein Geheimtipp, sogar mit Trinkwasser-Brunnen. Und werfen dann noch einen Blick in den Giardino Giusti, einen Renaissance-Garten, terrassenförmig angelegt. Schon Goethe war angetan, speziell von den Zypressen.
Auf der Rückfahrt vertrauen wir blind der vom Veranstalter zur Verfügung gestellten Navigations-App. Eine sanfte Stimme weist uns den Weg durch Veronas Vororte und eine hügelige, von Wein- und Obstanbau geprägte Landschaft. Nach einem heißen Tag besonders angenehm: eine Runde durch den Pool des Hotels.

Stippvisite in Mantua
Morgens fällt der Blick über das Frühstücksei auf den spiegelglatten Gardasee, ein Auftakt nach Maß. Dann eine Radstrecke, die für uns die schönste in diesen Tagen ist, so viel vorweg. Nur dass uns eine Reifenpanne jäh ausbremst. Wir rufen die Service-Hotline an. Die vermittelt uns einen sehr netten Menschen: Luca Bonturi, der uns und unsere Räder einlädt, bei der Fahrt zu seiner Werkstatt freundliche Worte über den Lugana verliert, einen Weißwein, der in der Region heranreift, und dann fachmännisch drei klitzekleine Löcher flickt.
Weil wir dann noch, wie fast alle Radfahrer, in der Mittagssonne einen Stopp beim „Chiosco dei Mulini“ einlegen, unserem Pausentipp für diese Wegstrecke, bleibt am Ende wenig Zeit für Mantua. Sei’s drum. Den Palazzo Ducalo, mit 500 Räumen der zweitgrößte Gebäudekomplex nach dem Vatikan in Italien, sehen wir immerhin von außen. Und den Dom auch von innen. Die Bahn bringt uns dann zurück nach Desenzano. Übrigens pünktlich, wie an allen Tagen.

Desenzano statt Solverino
Wir müssen ein Geständnis ablegen. Am vierten Tag steht eine Tour nach Solferino auf dem Programm. Eigentlich, denn wir haben sie geschwänzt. Gewiss, Solferino ist der Geburtsort des internationalen Roten Kreuzes. Henry Dunant, ein Geschäftsmann aus der Schweiz, wurde hier 1859 Zeuge der Folgen einer Schlacht – und organisierte spontan Hilfe. An das Gemetzel erinnert in dem 2.500-Seelen-Ort ein kleines Museum. Das haben wir nun nicht gesehen.
Stattdessen ein Bummel durch die Altstadtgassen von Desenzano, mit 29.000 Einwohnern der größte Ort am Gardasee. Gegründet wurde er von den Römern, die in der Villa Romana ein paar sehr sehenswerte Bodenmosaiken hinterlassen haben. Die farbigen Szenen aus Jagd und Fischerei zählen zu den wichtigsten Zeugnissen spätantiker Wohnkultur in Norditalien.
Über kurz oder lang kommt in Desenzano jeder am alten Hafen vorbei, auf der Suche nach einer leckeren Pizza oder einem Postkartenmotiv. Zur Zeit der Republik Venedig blühte hier der Getreidehandel. Danach wurde es ruhiger in Desenzano. Im September 1913 weilte der Dichter Franz Kafka in dem Ort und notierte: „Mein einziges Glücksgefühl besteht darin, dass niemand weiß, wo ich bin. Wüsste ich eine Möglichkeit, das für immer fortzusetzen!“

Brescia und der Irrtum der Meteorologen
Schrecksekunde am frühen Morgen: die Wetter-App meldet eine „schwere Gewitterwarnung“, ausgerechnet für Brescia, unser Tagesziel. Und Regen und Wind noch dazu. Wir machen es wie die sportlichen Italiener: Es ist Sonntag, da werden die Räder rausgeholt. Basta! Und der Wettergott ist gnädig mit uns. Wäre auch zu schade gewesen, angesichts einer erneut schönen Strecke.
Unser Highlight am Wegesrand: das Museo Mille Miglia, benannt nach der legendären Autorallye, die von 1927 bis 1957 in Brescia ausgetragen wurde. Die ausgestellten Oldtimer, allesamt blitzblank gewienert, locken Rennsportfans aus aller Welt. Bei der Gelegenheit: Die italienischen Autofahrer mögen ob ihrer flotten Fahrweise berüchtigt sein – mit uns waren sie sehr nachsichtig. Nicht einer hat gehupt! Wobei wir auch meist auf verkehrsarmen Wegen unterwegs waren.
Auch Brescia, nach Mailand die größte Stadt der Lombardei, hat keinen Mangel an Sehenswürdigkeiten und kann allein mit rund 20 Kirchen aufwarten. Wir konzentrieren uns auf zwei, die praktischerweise direkt nebeneinander an der Piazza Paolo IV. liegen. Im Alten Dom riecht es streng nach Weihrauch, die Messe ist gerade vorbei, im Neuen Dom bestaunen wir die Kuppel, 80 Meter hoch, die drittgrößte in Italien. Ein kleiner Gang noch über die Piazza della Loggia, der als der schönste Platz der Stadt gilt. Wäre nicht Sonntag, dann könnten wir jetzt shoppen. So finden wir unter den Arkaden in der Innenstadt immerhin Schutz vor dem Nieselregen, der kurz einsetzt. Unserer Navigations-App konnten wir stets vertrauen, der Wetter-App – nun ja.
Der Tag klingt aus mit einem Aperol Spritz an der Hotelbar. Sirmione auf einer Landzunge im Osten und die Hügelketten am Westufer des Gardasees verschwinden im Dunkel der Nacht. 245 Kilometer und vier große oberitalienische Städte liegen hinter uns. Die vielen Eindrücke, sie müssen sacken. Eine Verlängerungsnacht wäre nicht schlecht gewesen. Aber es muss ja nicht unser letzter Urlaub in Italien gewesen sein. Und wir wissen, wo wir nochmal hinwollen.

Über den Autor
Wolfgang Stelljes ist Autor und Journalist. Neben eigenen Büchern schreibt er Artikel für diverse deutsche Tages- und Wochenzeitungen, unter anderem für die Nordwest-Zeitung, den Spiegel und die Zeit. Eigentlich studierter Sozialwissenschaftler beschäftigt er sich viel mit dem Reisen, inklusive Reiseführer. Dieses Jahr war er auf der Tour am Gardasee unterwegs. Dieser Artikel ist in einer gekürzten Fassung auch in der Nordwest-Zeitung erschienen.